Ein Großteil von Synergieeffekten ist das Resultat guter zwischenmenschlicher Beziehung. Man verbindet sich vertrauensvoll und schafft gemeinsam etwas, das größer als die Summe seiner Teile ist und allen Beteiligten dient. Mentaltrainerin Gabriela Friedrich erforscht biologische und psychologische Hintergründe kooperativen bzw. unkooperativen Verhaltens.
Erinnern Sie sich noch an Charles Darwins These, Lebewesen seien ihrer innersten Natur nach Kämpfer im Verdrängungskampf? Damit schuf er ein Menschenbild, das sich bis heute in vielen Köpfen hält und auch so manch Entscheidung in der Wirtschaft beeinflusst. Da sollen Märkte erobert, Mitbewerber entweder rücksichtslos verdrängt oder geschluckt und der Sieg fürs eigene Unternehmen errungen werden. Sehr martialisch – doch, wie wir mittlerweile wissen, komplett am Naturell des Menschen vorbei.
Der Mensch ist von Natur aus ein kooperatives Wesen.
In seinem Buch „Prinzip Menschlichkeit – Warum wir von Natur aus kooperieren“ trägt der Medizinprofessor und Psychotherapeut Joachim Bauer Beweise aus Neurobiologie und Sozialbiologie zusammen, die klar aussagen: Der Mensch ist für gelingende Beziehungen gemacht. Spiegelneurone ermöglichen uns Empathie, Neurotransmitter belohnen uns mit Wohlgefühl, wenn wir jemandem geholfen haben, uns anerkannt fühlen oder Gemeinschaft erleben. Und das Gefühl, das uns am glücklichsten macht, ist Liebe, die uns denn auch zu uneigennützigen Taten motiviert und unsere besten Seiten zutage fördert.
Warum fällt soziales, kooperatives Verhalten manchen Menschen trotzdem so schwer?
In meinem Beitrag über Change-Management hatte ich die Führungskräftetypologien Hai, Delfin und Karpfen beschrieben. Die Haie sind diejenigen, die ganz in Einklang mit Darwins Vorstellungen andere bis zur Vernichtung bekämpfen und den eigenen Sieg über den Sieg des Systems stellen. Win-Win-Kooperationen mit menschenfreundlichen Synergieeffekten kommen in ihrem Lösungsportfolio nicht vor. Ihre Vorstellung von Synergieeffekt ist es, einen Mitbewerber zu übernehmen und dann durch Personalreduzierung Kosten zu senken. Wie kann es sein, dass sie trotz ihrer guten biologischen Voraussetzungen so asozial handeln? Dafür gibt es mehrere mögliche Ursachen:
1. Die entmenschlichende Wirkung von BWL
So wichtig es ist, das wirtschaftliche Fundament eines Unternehmens immer im Blick zu haben, so sehr kann das Denken in Kennzahlen auch die Wahrnehmung verzerren und die Handlungsoptionen einschränken. Beispielsweise erzählte mir ein Sparkassenvorstand, der die Leitung eines in Schieflage geratenen Geldinstitutes übernommen hatte, folgende Erfahrung: Er versuchte zunächst die Sanierung in traditioneller BWLer-Manier mit dem Blick auf die Zahlen: Personalkürzungen, Kosteneinsparungen, Prozessoptimierung. Ohne Ergebnis. Dann erst wurde ihm bewusst, dass hinter den Kennzahlen von Kundenerträgen und Personalkosten reale Menschen mit emotionalen Bedürfnissen steckten. Als er anfing denen gerecht zu werden, drehte sich die ganze Sparkassensituation ins Positive. Und – angenehmer Nebeneffekt – er fühlte sich in seiner Leitungsfunktion viel wohler.
2. Psychische Störungen
Nicht jeder Mensch ist psychisch vollkommen gesund. Depressionen stehen dabei im Fokus der Öffentlichkeit und werden wegen der Suizidgefahr viel diskutiert. Doch gibt es auch andere Störungen wie z.B. Psycho- und Soziopathie sowie Narzissmus oder durch Stürze auf den Kopf verursachte Hirnfunktionsstörungen, die sich auf das soziale Verhalten und damit auf die Fähigkeit, optimale Kooperationen zu gestalten, negativ auswirken. Allerdings bemühen sich nur wenige von derartigen Störungen Betroffene um eine Behandlung, weil der Leidensdruck fehlt. Schließlich wissen sie nicht, wie viel reicher und emotional befriedigender ihr Leben und ihre berufliche Situation dadurch würde…
3. Prägungen in Kindheit und Erwachsenenalter
Der wahrscheinlich häufigste Einfluss auf die Kooperationsfähigkeit sind prägende Erfahrungen sowie in der Kindheit vermittelte Weltbilder. Stellen Sie sich ein Kind vor, dem zuhause immer verbal oder nonverbal signalisiert, die Welt sei ein gefährlicher Ort und man dürfe Menschen nicht vertrauen. Man müsse sich immer vorsehen, um nicht übervorteilt zu werden. Solche Überzeugungen prägen sich tief ein und bestimmen bewusst oder unbewusst das zwischenmenschliche Verhalten und damit auch die Fähigkeit Kooperationen derart zu gestalten, dass aus ihnen etwas Großes, für alle Beteiligten Erfüllendes entsteht. Oder denken Sie an ein familiäres Umfeld mit einem stark kompetitiven Spirit. Wer dort heranwächst, ist auf Siegen im Kampf aus, nicht auf Lösungen, die auf Kooperation basieren. Schon ein einziger so auf Misstrauen oder Kampf konditionierter Mitarbeiter in einem Team kann die konstruktive Zusammenarbeit massiv stören.
Natürlich endet die Prägephase niemals. Wer als Unternehmer einmal erlebt hat, wie sein Vertrauen oder seine Kooperationsbereitschaft massiv enttäuscht wurde, kann dadurch ebenfalls – bewusst – oder unbewusst – nachhaltig geprägt sein. So sehr, dass auch dann ein erfolgreiches Miteinander nicht mehr funktioniert, wo es gefahrlos möglich wäre.
Fazit: Das Potential zu erfolgreichen Kooperationen ist Ihnen angeboren. Nutzen Sie es!