Der Bank-Blog: Erstaunlich, dass es überhaupt noch Menschen gibt, die in der Finanzwirtschaft arbeiten wollen. Überall liest man von Kündigungswellen, weil sich Banken verspekuliert haben
oder mit anderen Häusern fusionieren. Dabei steht die Marktbereinigung erst am Anfang. Hinzu kommt der wachsende Anteil von AI im Vermögensmanagement. Und Serien wie „Bad Banks“ mit
soziopathischen Bankenchefs und rüpelig-egomanen Investmentbankern wecken doch eher den Wunsch, solchen Menschen den Knigge, 3. Auflage von 1790, rechts und links um die Ohren zu schlagen denn
mit ihnen zusammen zu arbeiten.
Wollen Geldinstitute generell junge High Potentials für sich gewinnen und vor allem auch halten, sind also Zukunftsperspektiven und innerer Kulturwandel unabdingbar. Sollen insbesondere Frauen angesprochen und gefördert werden, damit endlich auch in Deutschland und Österreich ohne Quotenzwang mehr Top-Bankerinnen zu finden sind, braucht es weitere Maßnahme.
Susanne Lahmann, Nord/LB Bremen, blickt auf eine lange, erfolgreiche Karriere als Investmentbankerin in Frankfurt zurück und beschäftigt sich mit Frauenförderung. Für sie sind mehr Verständnis
für die kommunikativen und Verhaltensunterschiede von Männern und Frauen und ein Umdenken auf Vorstandsebene ganz wichtig. Statt Frauen beizubringen, männlich zu agieren, um von Männern
respektiert zu werden, setzt sie auf Workshops, in denen Frauen verstehen, warum Männer so ticken wie sie ticken. Wobei ich vermute, dass auch der Gegenentwurf – „Versteh die Frauen“-Workshops –,
auf großes Interesse stoßen dürfte. In jedem Fall ist es für eine gute Atmosphäre am Arbeitsplatz und ein kollegiales Miteinanders ein kluger Schachzug, geschlechterbezogene Missverständnisse und
Reibung zu minimieren. Schließlich legten die Studentinnen in der Umfrage auf ein angenehmes Arbeitsklima wert.
Zum attraktiven Arbeitsklima gehören Chefs, die sich weiblicher Stärken bewusst sind, gleichzeitig aber auch mögliche geschlechtertypische Defizite berücksichtigen. So sieht Susanne Lahmann
Bankerinnen u.a. in der Rolle der zeitgemäßen Führungskraft, der Beraterin im Wealth-Management, der Ansprechpartnerin für Bankkundinnen, aber auch als wertvolles Sicherheitsnetz, das
Fehlentscheidungen verhindern kann. Denn ihrer Erfahrung nach hinterfragen Frauen mehr und können damit dazu beitragen, potentielle Kollateralschäden geplanter Entscheidungen rechtzeitig zu
erkennen und zu verhindern. Dafür sollten Bank-Manager aber auch berücksichtigen, dass Frauen in der Regel selbstkritischer sind, höhere Anforderungen an sich stellen als Männer und deshalb nicht
sofort „ja“ rufen, wenn ihnen eine neue Position oder Aufgabe angeboten wird. Sofern Vorgesetzte die Frauen in solchen Situationen bestärken und deren Zögern nicht als Desinteresse oder
Inkompetenz interpretieren, werden sie in Zukunft deutlich mehr Frauen in verantwortlichen Positionen verzeichnen.
Unabdingbare Voraussetzung hierfür: Männer, die Frauen als Top Executives sehen können und wollen. Eine Bankerin, die in führender Funktion in einer Sparkasse arbeitet und ungenannt bleiben
möchte, hat hierbei sehr unterschiedliche Erfahrungen gemacht. Sie kennt moderne Banken, die Diversität leben und Frauen selbstverständlich alle Stufen der Karriereleiter ermöglichen, das
Patriarchat einer Privatbank sowie Sparkassen, in denen sich einige seniorige Vorstände noch schwer damit tun, Frauen in Führungspositionen zu berufen und ihr eigenes Verhalten dem Zeitgeist
anzupassen. Bei so manch wichtigem Aspekt der Arbeitgeberattraktivität sieht die Bankerin die Industrie deutlich weiter als die Finanzwirtschaft. Sie denkt dabei z.B. an mehr Flexibilität bei
Teilzeit, mobile Arbeitsplätze und eine enge Verbindung zwischen Bank und Müttern während der Elternzeit, was die Rückkehr ins Berufsleben erleichtert.
Vorbildhaft ist übrigens die LzO (Landessparkasse zu Oldenburg), die nicht nur all das eben genannte bietet, sondern auch Jobsharing bei Führungspositionen, Hausaufgabenbetreuung für die Kinder
in der Sparkasse und Unterstützung, wenn pflegebedürftige Familienangehörige betreut werden müssen. Hier hat man sich in den Kopf und die Lebenswelt von Frauen hinein versetzt und übt eine
dementsprechend starke Sogwirkung auf Bankerinnen jeden Alters und Qualifikationsniveaus aus.
„Top-Frauen im Vermögensmanagement verzweifelt gesucht“ – dieser Satz kennzeichnet den Alltag der Hamburger Personalberaterin Nicole Wesenberg, Wesenberg Resources. Ihre Kunden wünschen sich
gerade für die Beratung fast alle auch weibliche Kandidaten. Und obwohl Nicole Wesenberg berichtet, dass das Branchenimage gelitten hat, sieht sie noch einen befriedigenden Recruiting-Pool von
Frauen in Junior-Positionen, die aufgebaut werden können. Im Segment sehr, sehr vermögender Kunden, Mergers & Acquisitions oder Corporate Finance gibt es hingegen ihrer Kenntnis nach in
Norddeutschland, wo sie tätig ist, fast keine Frauen mehr. Einige der Gründe hierfür haben die Banken selbst zu verantworten:
1. Eher Mobbing durch männliche Kollegen denn Unterstützung der Frauen.
2. Teilweise niedrigere Gehälter für Frauen in gleichen Positionen, wobei diese allerdings oft auch schlechter verhandeln
Familienunfreundliche Arbeitszeiten (Abendveranstaltungen, ggf. erforderliche Reisetätigkeit und Erreichbarkeit etc.) in Kombination mit einem sehr hohen Anforderungsprofil und dem daraus entstehenden Leistungsdruck
Eine ganz andere Einschätzung der Faktoren, die Frauen von den Führungsetagen fernhalten, hat Simone Lassner-Klein, Bankhaus Spängler (Salzburg). Sie beobachtet zum ersten eine teilweise
mangelnde Solidarität der Frauen untereinander. Zum zweiten sieht sie Konsequenzen für karriereorientierte Frauen, wenn Arbeitgeber durch Frauen mit der Einstellung „Family Always First“ geprägt
wurden. Bei der Besetzung leitender Funktionen trauen die Männer dann Frauen keine „Business First“-Fokussierung mehr zu. Es sollte Frauen also bewusst sein, dass sie durch ihr Agieren indirekt
die zukünftigen Karrieremöglichkeiten von Geschlechtsgenossinnen beeinflussen. Gleichzeitig werden Frauen, die ganz oben stehen und zugunsten der Karriere auf Familie verzichten haben, immer noch
schief angesehen. Ebenso aber auch jene Frauen, die versuchen, beide Lebensmodelle zu verbinden. Frau Lassner-Klein selbst hat es mit viel Disziplin, Selbstverzicht und einem funktionierenden
Netzwerk geschafft, zweifache Mutterschaft und Karriere zu verbinden.
Die beiden befragten männlichen Vorstände verfügen über ein ausgesprochen positives Bild von Frauen im Banking auch und gerade in Führungsfunktionen. Marcus Vitt, Donner & Reuschel, bestätigt zwar, dass die Finanzbranche noch immer eine stark von Männern dominierte Branche war und ist. Ein wertvoller Baustein für den Erfolg eines Unternehmens ist aber seiner Einschätzung nach die Kreativität und die differenzierte Sicht, die Frauen einbringen. „An uns Männern liegt es, das zu sehen und wertzuschätzen.“
Franz Reif, Anadi Bank, Wien und Klagenfurt, der gerne Leitungsfunktionen mit Frauen besetzt, ist zuversichtlich, dass das Old School-Bankerverhalten ausstirbt und Männer nachrücken, denen – genauso wie Frauen – die Frage „was macht mich jobmäßig glücklich?“ wichtiger ist als Status. Damit ändert sich automatisch die Kultur und wird für Frauen attraktiver.
Wir sehen – es tut sich was in der Branche. Nun liegt es an allen Banken, nicht nur die internen Veränderungen voranzutreiben, sondern auch ihr Umdenken und die den Frauen entgegengebrachte
Wertschätzung nach außen zu tragen, um an Attraktivität zu gewinnen.